19. Gautschfest am Samstag, 20.08.2011 auf dem Markt in Haltern am See, Kornutin Christine
Wie zu Gutenbergs Zeiten - Gott grüß die Zunft!
Gautschen ist ein bis ins 16. Jahrhundert rückverfolgbarer Buchdruckerbrauch, bei dem ein Lehrling nach bestandener Abschlussprüfung im Rahmen einer Freisprechungszeremonie in einer Bütte untergetaucht und/oder auf einen nassen Schwamm gesetzt wird.
In seiner ursprünglichen Bedeutung bezeichnet der Begriff „Gautschen" den ersten Entwässerungsschritt nach dem Schöpfen des Papiers, das Ablegen des frisch geschöpften Papierbogens vom Sieb auf eine Filzunterlage.
Das Gautschen als alter Schriftsetzer- und Buchdruckerbrauch
Zur Gautschzeremonie eine Beschreibung aus dem 17. Jahrhundert: „Wolan es muß das groben Schwein/Mit sonderm Fleiß behobelt seyn/ Knecht/ Hilff mir lustig machen." Und nachdem bereits einiger Schabernack getrieben worden war: „Nun ist er heraus der böse Zahn/ Gib die Pommad' her mein Compan/ Den Bart ihn anzustreichen: Auf daß dem schönen Jungfern-Knecht Ein jeder mög' ansehen recht/ Die Hund' ihn auch beseichen."
Die Beteiligten [Bearbeiten]
Zu einem Gautschakt gehören neben dem Gäutschling (auch „Kornut" genannt) der Gautschmeister, der erste und zweite Packer so wie der Schwammhalter. Meist gibt es noch eine unterschiedliche Zahl an Zeugen oder mehrere Packer, die auch auf dem Gautschbrief ihre Anwesenheit durch Unterschrift bekunden. Nass geht es auch heute noch zu, wenn gegautscht wird. Aber nicht nur der Täufling wird nass, sondern oft auch die Packer, Zuschauer und auch Ehrengäutschlinge, welche vorher nichts von ihrem „Glück" wissen.
Der Ablauf [Bearbeiten]
Dem Lehrling wird nicht mitgeteilt, wann genau er gegautscht wird. Gelingt es ihm nämlich, den Packern und somit dem Gautschen zu entfliehen, muss er das Gautschfest nicht selber bezahlen. Auf den Ruf des Gautschmeisters „Packt an!" wird der Jünger gefasst, in eine mit Wasser gefüllte Wanne oder, wenn die Beteiligten es weniger drastisch gestalten wollen, auf einen mit Wasser durchtränkten Schwamm gesetzt. Bei manchen Druckereien wird zur Taufe ein in der Nähe des Betriebes liegender Brunnen herangezogen. Jedenfalls muss zumindest dafür gesorgt werden, dass das Hinterteil gehörig angefeuchtet wird. Da aber der Jünger sich oft tapfer wehrt, um sich schlägt und beißt, gelingt das Anpacken oft nicht immer auf den ersten Angriff. Je mehr er sich wehrt, desto mehr wird er auch noch von oben herab begossen, sodass der Jünger am ganzen Körper pudelnass wird. Gelegentlich wird das Gautschen als symbolische Maßnahme betrachtet, um angeblich die schlechten Gewohnheiten aus der Lehrzeit abzuwaschen.
Der Gautschspruch -- Das Gautschfest -- Der Gautschbrief [Bearbeiten]
Gautschbrief der Badenia Buchdruckerei, ca. 1930
Während des Gautschens hält der Schwammhalter eine launige Ansprache an den Jünger und das umstehende Publikum. „PAKKT AN! LASST SEINEN CORPUS POSTERIORUM FALLEN AUF DIESEN NASSEN SCHWAMM / BIS TRIEFEN BEIDE BALLEN. DER DURSTGEN SEELE GEBT EIN STURTZBAD OBEN-DRAUFF / DAS IST DEM SOHNE GUTENBERGS DIE BESTE TAUFF"
Dazu der Text eines Gautschbriefes der VEB Graphischen Kunstanstalten in Leipzig vom 28. Juni 1952. „Von Gutenbergs Gnaden thun wir Jünger Gutenbergs zu Leipzig jedem unserer Kunstgenossen kund und zu wissen / dass der Jünger der wohledlen Buchdruckerkunst Eckert, Paul nach altem Brauch und Herkommen heut mit Zuziehung der Gesellen untbenamster Offizin die Wassertauf ad posteriora erhalten hat und damit in sämtliche uns von dem Kaiser Friedrich III. verliehenene Rechte und Privilegien eingeführet ist. Kraft derselben gebieten wir allen unseren Kunstgenossen obenbenamsten Jünger Gutenbergs als ehrbaren Schwartzkünstler und rechtmäßigen Gesellen anzuerkennen."
In einem anderen Gautschbrief aus Bern um 1900 heißt es: „Den alten Kunstgebrauch zu ehren, Thät er sich weder sträuben noch wehren. Erhielt die üblichen drei Stöße auf den Arsch. Und zappelte dabei wie ein Barsch. Darauf bezahlte er blank und bar Das altbekannte Gautschhonorar."
Den Gautschbrief, der seine Taufe als Jünger Gutenbergs bestätigt, erhält der Gäutschling erst am Gautschfest, zu welchem er seine Betriebskollegen nach der Gautschete einzuladen hat. Es soll Betriebe geben, die einen neuen Mitarbeiter bei Stellenantritt nach seinem Gautschbrief fragen und sofern er keinen vorweisen kann, muss das Gautschen nachgeholt werden.
Gautschen heute [Bearbeiten]
In der Gegenwart werden außer Setzern und Druckern ebenfalls Druckvorstufentechniker und eventuell auch Mediengestalter hin und wieder noch gegautscht, obschon sie alltäglich nicht mehr mit Druckerschwärze in Berührung kommen, so z. B. bei der Mainzer Johannisnacht, der Leipziger Gutenbergschule,[1] der HTWK Leipzig, der Beuth Hochschule für Technik Berlin[2] und der Macromedia Akademie München (Berufsfachschule).[3]